Gönningen
Das Albdörflein Gönningen ist von besonderer Ausstrahlung beseelt. Nicht nur, dass ein eigener Erholungssee vor der Haustür liegt. Nein, die Bürger baden förmlich in einem Meer – in einer Flut an bunter Tulpenpracht.
Alljährlich sehnt das Dorf Gönningen mit einem Tulpenmeer den Frühling herbei. Die Bürger pflegen diese über 100 Jahre alte Tradition. Früher und heute zieht dieses anmutige Zwiebelgewächs nicht nur tausende Besucher an den Fuß der Alb, sondern hatte auch schon Königinnen gelockt.
Ein Auszug der Gönninger Ortsgeschichte erzählt, dass seine Einwohner schon seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Handel mit Blumen, Gemüsesamen und Zwiebeln getrieben haben – bis heute. Diese Geschichte ist nicht nur in Büchern dokumentiert, auch das Samenhandelsmuseum im Rathaus belegt diese geschichtsträchtige Tradition. Ab Mitte April wecken die großen Tulpenschauen bei Samenhändlern wie „Samen Fetzer“ (Foto oben) und die berühmten Tulpen auf dem Gönninger Friedhof touristisch höchstes Interesse.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts galt es als Ehrensache, die Gräber der Angehörigen mit den damals besonders teuren und wertvollen Tulpen zu bepflanzen. Dadurch entwickelte sich der Gönninger Friedhof im letzten Jahrhundert zur Augenweide. Sogar die württembergische Königin Charlotte reiste 1912 mit dem wenige Jahre zuvor eingeweihten „Gönninger Bähnle“ herbei, um die Friedhofstulpen zu schauen. In den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts kamen an Wochenenden viele tausend Besucher nach Gönningen, bis in die 50er- Jahre hinein. Dann verflog das Interesse an der Tulpenblüte. Sie wich der Freude an der kunterbunten Wirtschaftsblüte in den Einkaufsstraßen der Städte.
Doch die Gönninger sind nicht nur stolz auf ihr Mekka der Farben, sondern auch auf ihr glasklares Nass. Das Flüsslein Wiesaz nährt nicht nur den Gönninger See (Foto links), der sich tief zwischen die ersten Anhöhen der Alb schmiegt. Nein, der Bachlauf selbst wird zelebriert als in der Tat geologische Attraktion. Am östlichen Ortsrand nämlich stürzt der Bach als Wasserfall, gerahmt von einer sandfarbenen, feinkristallinen Kruste aus Kalk, in ein tiefblaues Becken. Regen fällt auf die etwa 800 Meter hoch gelegene Albhochfläche, versickert blitzschnell im porösen Gebirgsstock aus Kalk. Das Wasser löst immerfort den Kalk und führt ihn unsichtbar durch Höhlen und Klüfte hinab ins Tal. Nach dem Quellaustritt fällt der gelöste Kalk an der frischen Albluft wieder aus. Hier im Wiesaztal auf der Höhe des Gönninger Sees auf 630 Meter Höhe kann man dieses Phänomen gut beobachten. Zweige, Blätter, Moose im Bach – alles Kleinmaterial wirkt versteinert. Die beigefarbene, ständig wachsende Schichtung lässt an Wasserfällen oder Bachstufen wundersame Skulpturen entstehen.
Auch echte Skulpturen aus Kalktuffstein kann der Wanderer im Ortskern bestaunen (Foto rechts). Bei Häuslebauern war der poröse und daher gut dämmende Baustoff begehrt. So besteht die im 12. Jahrhundert errichtete Peter-und-Paul-Kirche (Foto unten) aus diesem Albgestein. Bis 1970 hatten die Gönninger im Bereich der Seen Kalktuff gebrochen. Danach wurde das Gebiet renaturiert und dieser schöne Erholungssee entstand.
Fakten kompakt
Gönningen – Stadtteil Reutlingen
- www.goenningen.info Tel. 07072 7026
- 3727 Einwohner 521 Meter über dem Meer
Wandern / Ausflug
- Tuffstein-Lehrpfad
- Historischer Rundweg
- Sphäre-Wander- und Radtour mit GPS-Daten und ausführlicher Beschreibung hier >>
Einkehren / Übernachten
- Keine Schlafgelegenheiten außer im Wanderheim Rossberg
Veranstaltungen
- Tulpenblüte mit Künstlermarkt (immer Ende April)
- verschiedene Kulturevents im Lokschuppen
Sehenswert
- Tulpenblüte
- Samenhandelsmuseum
- Turm Rossberg
- Gönninger Seen
- Gönninger Wasserfall
- Stöffelburg
Farbenfreunden in Gönningen: Herz aus Tuffstein entlang der Wiesaz Richtung Gönninger See
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Printausgabe: Sphäre 3/2017, Seite 16-17