3 x Städtetouren

Bike-Reiseporträt: Ferrara, Prag und Straßburg

Paris, London New York – nein, danke. Wer lebendige Städte er(fahrrad)fahren will, fliegt nicht in der Weltgeschichte herum, sondern tritt bodenständig in die Pedale. Sphäre stellt für die Urlaubssaison drei Städte vor, die sich von der ländlichen Einsamkeit heraus mit dem Fahrrad oder E-Bike intensiv erleben lassen.
Stadt, Land, Fluss – Ferrara, Prag, Straßburg – Po, Moldau, ill*, ein Nebenfluss des Rheins: Drei historische Augenweiden an Wasserstraßen gelegen, erreichbar über idyllische Radwege.

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Das italienische Ferrara (siehe Foto) ist eine Fahrradstadt, nicht weil es schick ist zu radeln, sondern weil das Rad in der Enge der Altstadt das einzig vernünftige Verkehrsmittel darstellt.


 

3 x Städtetouren

Paris, London New York – nein, danke. Wer lebendige Städte er(fahrrad)fahren will, fliegt nicht in der Weltgeschichte herum, sondern tritt bodenständig in die Pedale. Sphäre stellt für die Urlaubssaison drei Städte vor, die sich von der ländlichen Einsamkeit heraus mit dem Fahrrad oder E-Bike intensiv erleben lassen. Stadt, Land, Fluss – Ferrara, Prag, Straßburg – Po, Moldau, ill*, ein Nebenfluss des Rheins: Drei historische Augenweiden an Wasserstraßen gelegen, erreichbar über idyllische Radwege.

Wer Ferrara ansteuert, erlebt in der ältesten Universitätsstadt Europas viele Wunder. Zum einen betört schon die Anfahrt über den Radweg mit einem endlosen Horizont, der die italienische Po-Ebene flach begrenzt (Foto). Zum anderen verblüfft in Ferrara die Fahrradinvasion in einer von Autos abgeschiedenen Welt kleiner und kleinsten Gassen (großes Foto oben).

Mode aus Italien steht weltweit für Eleganz, Qualität und einem unverwechselbaren Gespür für Stil. Dass der Instinkt der Italiener aber ein ganzes Stadtzentrum samt seiner Bewohner als Laufsteg gehobener Lebensart vor dem gefräßigen Mainstream bewahren konnte, gilt als Kuriosum.

Das Wunder heißt Ferrara. Diese Stadt verblüfft ebenso wie die elegante Dame, die gerade mit geschmackvollen Designerschuhen selbstbewusst in die Pedale tritt. Ihr feiner Wollmantel flattert launisch im Wind, die lässig über die Stirn geschobene Sonnenbrille betont die sportliche Frisur. Würdevoll blickt die Signora über den verchromten Fahrradlenker ihres roten Bicicletta, als säße sie im Cabrio eines italienischen Sportwagenherstellers, dessen Name an diese Stadt erinnert. Routiniert steuert sie durch Ferrara zwischen den unzähligen Alltagsradlern und Fußgängern. Die Pasta Fresca im Körbchen vorn am Lenker verrät: In Ferrara gehört das Fahrrad zum Alltag. Jeder besitzt im Schnitt 2,8 Drahtesel passend für jeden Zweck. Doch bevor die frischen italienischen Nudeln zu Hause in der Pfanne ihren Geschmack entfalten dürfen, parkt sie ihr schickes Damenrad vor dem „Café Cicignani“, denn ein Espresso gehört zu Italien wie der Glockenschlag zur Turmuhr. Und dieser dröhnt gerade vom Castello Estense her (Foto unten). Tauben schrecken auf, ein leises Zittern flimmert über die Oberfläche des Wassers, das die Mauern des Schlosses umspielt.

Castello Estense – Ferraras viertürmige Wasserburg.

Vielleicht ist Europas älteste Universitätsstadt deshalb der schnellen Welt erfolgreich entrückt, weil starke Befestigungsmauern das historische Zentrum vom sprunghaften Einerlei der Mo­derne abriegelt? Vielleicht aber sind die Gassen nur zu eng, zu klein, als dass die Hektik, der Lärm und Drängelei von Automobilisten das gemütliche Städtchen fluten könnten. Dieses unverwechselbare Gespür für Lebens­stil war der UNESCO die Auszeichnung „Weltkulturerbe“ wert.

Straßburger Münster – freitagnachts ist die Stadt am schönsten.

„Ciò che presto nasce presto muore“, heißt übersetzt: „Was schnell entsteht, das schnell vergeht“. Gemäß diesem Motto schlägt auch in der Universitätsstadt Straßburg der Puls im heiteren Radlertakt. Denn das quirlige Studentenleben hat nicht nur die Bewohner und Gäste verjüngt, sondern sogar die Stadtbeamten beflügelt: autofreie Innenstadt, kostenlose Bustickets für Heranwachsende und Radwege, wohin man sich bewegt. Straßburg zählt zu den radfreundlichsten Kommunen Frankreichs.

Doch nicht immer prägen Studenten mit ihrer umwelt- und kosteneffektiven Mobilität ein Stadtbild und das Lebensgefühl. Bisweilen erzwingen auch Heerscharen von Touristen das Recht auf stressfreie, autofreie Zonen, wie beispielsweise im historischen Prag. Zwar werden nur ein Prozent der Wege dort mit dem Rad bewältigt, jedoch 25 Prozent zu Fuß. Grund: Mit knapp neun Millionen Touristen jährlich zählt Prag zu den 25 meistbesuchten Städten der Welt. Der Besucheransturm in diesem kulturhistorischen Kleinod lässt dem Autoverkehr schlicht keinen Platz. Allerdings ist das Fahrrad gern gesehen – als Zubringer entlang der schönen Moldau, des Po oder der ill* als Nebenfluss des Rheins.

*Straßburger Fluss „ill“ ist wegen der Lesbarkeit klein geschieben. Korrekt wäre „Ill“.

 

Prager Altstadt – von der Karlsbrücke aus gesehen – der historisch bedeutsams­ten Brücke über die Moldau aus dem 14. Jahrhundert.


 

Übersichtskarte

*Die 3 Städtetouren auf Karte als rote Linien markiert

 

Ferrara: Italiens historische Fahrradstadt

Ferrara: Castello Estense, die viertürmige Wasserburg bildet das Zentrum der Stadt.

Wie eine goldene Mitte markiert das Castello Estense das Zentrum des historischen Ferrara (Foto ➊). Fast der gesamte mittelalterliche Stadtwall blieb bis heute erhalten wie auch die urbane Struktur, die im 14. Jahrhundert Hofarchitekt Biagio Rossetti entwarf. Sein Entwurf gilt als die erste moderne Stadtplanung der Welt. Der historische Kern Ferraras hatte die UNESCO im Jahr 1995 zum Weltkulturerbe gekürt.

Ferrara, 129.000 Einwohner: Gut zu erreichen über Radwege entlang des Po. Jeder Bürger besitzt im Schnitt 2,8 Fahrräder.


 

Prag: Tschechiens architektonische Wunderstadt

Prag: Ein faszinierendes historisches Häusermeer breitet sich aus.

Der südliche Bogen der Moldauschleife umschließt malerisch das historische Prag. 1992 hatte die UNESCO das Zentrum der tschechischen Hauptstadt zur Welterbestätte gekürt. Fast jeder Besucher wird einmal über die Karlsbrücke flanieren.

Prag, 1.357.000 Einwohner: Traum-Bikeroute entlang der Moldau direkt ins Zentrum. Nur ein Prozent der Wege in Prag bewältigt das Rad, da extreme Steigungen, allerdings 25 Prozent zu Fuß.


 

Straßburg: Frankreichs Perle abends besuchen

 Straßburg: Gerberviertel an der „ill“ bei Nachtschwärmer beliebt.

Straßburg hat sich zum verkehrspolitischen Musterknaben gemausert. Nicht nur, dass eine Menge Radrouten die französische Studentenmetropole erschließen, auch die unter 18-Jährigen nutzen den ÖPNV kostenfrei. Was für eine Ansage! An Wochenenden wird die autofreie Altstadt von Touristen überrannt. Nicht aber am Freitagabend (Foto). Da gehören die Gassen und Cafés den Studenten und jung gebliebenen Einheimischen.

Straßburg, 291.000 Einwohner: Der 22-km-Radweg Canal de la Bruche führt autofrei ins Zentrum. Fortschrittliches Verkehrskonzept: Unter 18-Jährige fahren im ÖPNV kostenlos.


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Printausgabe: Sphäre 2/2025, Seite 30-33

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