Die Abgestürzten

Buchbesprechung & Tipp: „Die Abgestürzten“ von Otmar Gotterbarms 

Otmar Gotterbarm, pensionierter Realschullehrer und Volkshochschulleiter aus Münsingen hat, angeregt durch ein Absturzereignis im heimischen Lautertal das Forschen über den Luftkrieg zwischen Schwäbischer Alb und Oberschwaben zu seiner Passion gemacht. Neben Vorträgen und Zeitungsartikeln entstand 2003 die inzwischen vergriffene Buchveröffentlichung „Als die Feinde vom Himmel fielen“.

Anfang 2013 legte Gotterbarm sein zweites Buch „Die Abgestürzten“ vor. Er legt darin den Fokus auf eine ganz besonders tragische Nacht vom 25. auf 26. April 1944, als auf dem Rückflug von einem verheerenden Angriff auf Augsburg gleich drei Bomber über der Schwäbischen Alb abstürzten, bei Frankenhofen, Großengstingen und Seeburg.

Gotterbarm, lange Jahre als Sprachlehrer in verschiedenen Ländern tätig, nutzte seine Sprachkenntnis und seine Kontakte, um sich ein erstaunliches Netz an Zeitzeugen in Europa und weiteren Informationsquellen wie dem britischen Nationalarchiv in London-Kew aufzubauen. Ergebnis seiner langjährigen peniblen Forschungsarbeit ist ein Bericht, der das Geschehen über der Alb in jener tragischen Kriegsnacht beinahe modellhaft nachzeichnet. Der Leser erlebt hautnah die Enge und Einsamkeit in den Bombenfliegern, auch die Panik, als Getroffene am Fallschirm abspringen mussten. Wir lernen über die Taktiken der Bombergeschwadader und der deutschen Jäger. Auch die Radarsysteme beider Seiten bleiben uns nicht fremd. Das Leid der Menschen im bombadierten Augsburg bringt uns der Zeitzeugenbericht einer elsässischen Fremdarbeiterin nah. Der Leser versteht auch bald die Gefühle der Menschen in den Albdörfern, die in den letzten anderthalb Kriegsjahren keineswegs von den Schockwirkungen des Bombenkrieges verschont wurden. Wir lesen von Angst und Not, aber auch von heimlicher Faszination besonders der Jugendlichen jener Zeit. Akribisch genau verfolgt Gotterbarm auch den beklemmenden Weg der Abgestürzten Flieger in die Kriegsgefangenschaft.

Den Rahmen der Handlung bildet die anrührende Geschichte vom Schulring des bei Seeburg gefallenen Navigators Cyril F. Ridgers, den der Gächinger Fritz Groß 12 Jahre später am Unfallort fand. Durch Gotterbarms Recherche konnte er ihn noch 2006 in einer bewegenden Zeremonie dem Neffen von Cyril F. Ridgers zurück geben (siehe Sphäre 3/2012).

Gotterbarm machte sich auch auf die Suche nach dem „Fliegerbaum“ an dem angeblich ein sterbender Flieger noch seinen Namen eingeritzt haben soll. Trotz der akribischen Sachlichkeit seiner Darstellung wird auch die emotionale Botschaft des Kosmopoliten Gotterbarm deutlich: Als Teil einer Kriegsmaschinerie werden Menschen sehr schnell zu Bestien. Sobald sie sich aber gegenüber stehen, Auge in Auge, ein jeder in seiner Verletzlichkeit, vergessen sie ihre Fremdheit und oft auch jede Feindschaft. So war es auch im April 1944 auf der Alb. Jene, die vor kurzem noch Bomben auf Unschuldige warfen, strichen deutschen Kindern durchs Haar und schenkten ihnen Kaugummi. Die Älbler versorgten den eben noch verhassten Feind, der jetzt als frierender schockierter Mensch erschien mit Decken und heißen Getränken.

Gerade heute, da uns die Kriegsgeneration, die uns solche unersätzlichen Erfahrungen noch mitteilen kann, langsam verloren geht ist Otmar Gotterbarms Werk von größtem Wert.

  • Otmar Gotterbarm „Die Abgestürzten“ 263 Seiten ISBN 978-3-87336-941-2 Gerhard Hess Verlag, 21.90 Euro

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