Strom in Fluss

Energie: Albwasserkraft als Motor der Energiewende

Alles fließt – das Thema Wasserkraft aber stockt. Ein Strudel an Bürokratie hemmt den Tatendrang.

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Münsinger Kraftwerk Seeburg nahe Ermsursprung.

Strom fließt, wenn der Fluss strömt. Die sauberste aller Naturenergien aber tröpfelt in der öffentlichen Energiewende-Diskussion wenig beachtet vor sich hin. Windkraft und Sonnenenergie schlagen höhere Wellen. Dabei flutet Wasserkraft schon über 100 Jahre das grüne Gewissen. Trotz Solar- und Windkraft-Boom trägt Wasser mit satten 9,4 Prozent an der Stromerzeugung im Ländle bei (Bund 3,3%). Zum Vergleich: Windkraft verbessert mit nur 6,8 Prozent Baden-Württembergs grüne Bilanz (im Bund 23,7%, Daten 2020).

Doch während Solarpanele Deutschlands Dächer erobern und Windräder die stürmische Albhöhen, fürchten Wasserkraftwerksbetreiber, dass ihr Engagement in den Untiefen stets neuer Verordnungen verlandet. Elmar Reitter, Kaftwerksbetreiber aus Rechtenstein an der Donau am Fuße der Alb, beklagt: „Wir sind bei unseren Genehmigungsverfahren einer Unsicherheit der Fachbehörden ausgesetzt. Sinnvolle Forderungen zum Fischschutz werden zwar formuliert, aber niemand weiß, wie man diese praktiziert.“ Deshalb setzte Reitter beim Thema „wie baue ich eine Fischabstiegsanlage, die meiner Behörde gefällt“, 150000 Euro in den Neckarsand. Seit zehn Jahren versucht er vergeblich, sein Kraftwerk bei Reutlingen-Oferdingen EU-konform zu gestalten. Eifrig will er den Vorstellungen von Fischerei und Naturschutz entsprechen. „Doch auf Plan folgt neuer Plan, auf Vorschrift folgt neue Vorschrift“, beschreibt Reitter die Situation. Wie von einem Strudel gefangen, zieht Bürokratie seinen Tatendrang in die Tiefe statt in Richtung Energiewende nach vorn. Sein Problem und das aller Wasserkraftwerke ist: Sie versperren den Fischen den Weg. Flussaufwärts ebnen bereits erfolgreich Fischaufstiegsanlagen den Wasserbewohnern ihren Weg, nicht aber einen ungefährdeten Abstieg. Seit 2012 ringt das Umweltbundesamt um tiefere Einsichten. Ein Monitoring sollte die tatsächliche Schädigung der Fische erfassen, abhängig von verschiedenen bereits realisierten Lösungen von Barrieren oder fischfreundlichen Turbinen.
Alles fließt, besonders im Strome der Erkenntnis. Deshalb ist bis heute für die Betreiber kein verlässlicher Ankerplatz in Sicht, um in ruhigem Fahrwasser mit mehr Planungssicherheit in sinnvollen Fischschutz zu investieren.

Wasserrad (Schmiechtal): Die Erfindung liegt 2500 Jahre zurück.

Dabei gehört Wasserkraft zum kulturhistorischen Geschäft der Alb wie das Tal zu den Bergen und die Quelle zum Fluss. Die Albwasserkraft erhellte nicht nur zu Urgroßvaters Zeiten das Gemüt von Getreidebauern und Müllern, sondern auch Opas Wohnstube strahlte ab 1920 im Schein elektrischen Lichts. Gleich hinter der strömungsfreudigen Quelle der Erms bei Seeburg liefert Münsingens historisches Wasserkraftwerk bereits seit 102 Jahren Strom – bei Sonne und Regen, bei Flaute oder Sturm zuverlässig bis heute 65 Kilowatt (Foto oben). Und dies zu einer Zeit, da Ende der 1920er Jahre selbst Großstädter Berlins erst zu 50 Prozent am Stromnetz hingen.

Schnell brachte das Alb-Wasser das spannungsgeladene Geschäft in Fluss. Noch heute gehört die Erms von Seeburg bis Metzingen und die Echaz bei Pfullingen mit zusammen 39 Kraftanlagen von 88 der gesamten Neckar-Alb-Region zu den grünen Leistungsträgern (Datenlage 2010).
Damit dies so bleibt, schilderte Reitter in einem Schreiben an Abgeordnete des EU-Parlaments, des Bundes- und Landtags die Sorgen und Nöte der Wasserkraftler. Denn: Er soll ja weiter fließen, der heimische, seit 100 Jahren bewährte Wasserstrom.



 

Abstiegshilfe: Für Fisch und Wasserkraftbetreiber?

Wasserkraftwerk Rechtenstein.

Wer soll das bezahlen? Elmar Reitter, Kraftwerksbetreiber, erzählt: Fünf Jahre habe er ab 2009 den Fischauf- und Abstieg für das Wasserkraftwerk Reutlingen-Oferdingen bis zur Genehmigungsreife geplant. Kosten: 100000 Euro. Doch im Laufe der Zeit gesellten sich neue Fischabstiegsverordnungen dazu. Weitere 50000 Euro Investition für Umplanungen waren die Folge. Heute befindet sich das Kraftwerk immer noch in der Genehmigungsschleife. „Was aber erwartet mich nach fünf Jahren, wenn der Umbau mal steht, fragt sich Reitter besorgt, denn für die Umsetzung der Planungen sind über eine Million Euro fällig.

Elmar Reitter: Betreiber mit Sitz in Rechtenstein an der Donau (Foto oben) betreut weitere Wasserkraftwerke. Er bietet auf Anfrage im Kraftwerk Obermarchtal Gruppenführungen an (Tel. 07373-915299).


Printausgabe: Sphäre 1/2022, Seite 30

 

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