Lenninger Tal

Der Hexensprung über das Lenninger Tal

 

Der Hexensprung über das Lenninger Tal

Einst hatte der Graf von Württemberg, als er auf seiner Burg Hohenurach zu Gast war, eine wichtige Botschaft an den Kaiser nach Prag zu übermitteln und suchte einen Boten, der innerhalb von acht Tagen wieder zurück sein sollte, um ihm die Antwort zu bringen. Doch keiner der Ritter und Knechte wagte es, den Auftrag zu übernehmen, weil jeder wusste, dass man auch mit dem besten Pferd für eine solche Reise viel länger braucht.

Der Tag verging, ohne dass sich ein Bote meldete, und der Graf war darüber sehr ärgerlich. Am Abend endlich klopfte ein altes Weiblein ans Burgtor. Die Knechte wollten es zuerst nicht einlassen, führten es dann aber doch vor ihren Herrn. Die Frau versprach, des Grafen Wunsch erfüllen zu können. Man lachte sie zuerst aus, aber als sie hoch und heilig beteuerte, es sei ihr ernst, man möge ihr die Botschaft anvertrauen, willigte der Württemberger ein. „Wenn Ihr Euer Wort haltet“, sagte er, „so soll Euch ein reicher Botenlohn werden.“

Die Frau kehrte rasch nach Hause zurück. In einer Pfanne über dem Herdfeuer kochte sie aus allerlei Wurzeln und Kräutern eine Zaubersalbe. Dann holte sie ein Kalb aus dem Stall, bestrich es mit dem Brei und murmelte dabei unverständliche Sprüche. Schließlich setzte sie ihren Mann auf das Tier und schärfte ihm ein, unterwegs kein Wort zu sprechen.

Das Kalb tat ein paar wunderliche Sprünge, hob sich mitsamt seinem Reiter in die Luft und jagte davon. Es flog durch die Wolken, über Berge und Täler, Dörfer und Wälder, und seine Sprünge waren so gewaltig, dass es kaum den Boden berührte. Dem Mann verging Hören und Sehen bei dem wilden Ritt, aber als der Morgen graute, war er in Prag, übergab dem Kaiser des Grafen Botschaft und erhielt auch sogleich eine Antwort. Ohne Säumen machte er sich auf den Heimweg. Wieder sauste das Tier durch die Lüfte, und der Reiter musste sich an seinem Fell festkrallen, um nicht abzustürzen. Da sah er auch schon das Lenninger Tal unter sich, und mit einem mächtigen Sprung setzte das Kalb von der einen Talwand zur anderen hinüber. „Ho, das war aber ein Sprung!“, entfuhr es unversehens dem Mann, – und schon lag er am Boden. Langsam stand er auf und blickte sich um, doch sein Reittier war verschwunden. Alle Knochen taten ihm weh, aber was blieb ihm übrig? Zu Fuß musste er nach Urach hinabsteigen und dem Grafen des Kaisers Schreiben bringen.

Hätte er geschwiegen, so wäre ihm dies erspart geblieben. Aber der reiche Botenlohn ließ ihn sein Missgeschick rasch vergessen.

Zur Verfügung gestellt vom Albengel am Schopflocher Moor, besser als Otto-Hoffmeisterhaus bekannt

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