Bissingen-Ochsenwang: „hochgehadelt“
GPS-Wintertour: Vom Winde verweht
Die Schwäbische Alb-Hochfläche wird sprichwörtlich vom Winde verweht, geschliffen, mit einem Weichzeichner modelliert. Die Hangkante am Ochsenwanger Breitenstein dagegen bricht ab, steil, messerscharf. Diese Tour bezeugt die Vergänglichkeit von Kultur und Natur.
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Wild tanzt der Schnee im eisigen Wind – die Biosphären-Tour hochgehadelt* folgt den Spuren des Adels von Ruine Rauber zur Burg Teck.
- Start/Ziel: Parkplatz Breitenstein Ochsenwang
- ■■ Tour „hochgehadelt“*: 12,8 km / 613 Hm.
- Höhe: min/max 443/812 m
- Gehzeit: 4:30 Std./schwer
- Pause: Gasthof Krone, Ochsenwang, Grillstelle Sattelbogen, Burg Teck
- Sehenswert: Breitenstein, Ruine Rauber, Burg Teck, Bissinger Dorfsee
* Die von Sphäre vorgestellte Tour weicht geringfügig von der Original-hochgehadelt-Tour ab.
Blätter welken, der Schnee fällt. Die Zeit greift nach allen irdischen Dingen. Sie verwandelt Burgen in Ruinen, Aristokraten zu gewöhnlichen Bürgern, ja sogar der unerschütterliche Fels in der sprichwörtlichen Brandung wird vom Hauch der Geschichte verweht. Vom mächtigen Breitenstein (Foto unten) blickt der Wanderer auf dieser Tour mit dem Kunstnamen hochgehadelt* über eine Ebene hinweg, die einst Alb-Gebirge war. Am Horizont erheben sich die Drei Kaiserberge, vorn die Weilheimer Limburg (Foto unten). Die drei Kegel in der Ferne bezeugen, dass hartes Gestein dem Zahn der Zeit zwar trotzen kann – in erdgeschichtlichen Dimensionen allerdings nur einen Wimpernschlag lang. Sie heißen Zeugenberge, weil sie belegen, dass die Alb einst fast bis Stuttgart reichte. Das Schwabengebirge weicht noch heute jährlich 1,6 Millimeter zurück.
Standpunkt: Breitenstein (812 m).
Zeitreise: Tal, wo einst Gebirge war.
Das Rad der Zeit dreht sich stets und immer nur in eine Richtung. Bisweilen aber greift der Mensch in die komplexe Mechanik der Geschichte ein, um den Verfall von Kulturgütern zu bremsen: So haben 1965 Restaurateure die Außenmauern der Ruine Rauber aufgehübscht zu einer die Fantasie belebenden Ritter-Kulisse (Foto unten). Laut amtlichen Urkunden ließ ein gewisser „Ulrich de Diepoldsburc“ die Kalksteine der Alb zu einer respektablen Behausung aufschichten. Diese seine Burg, wie die Aristokratie selbst, allerdings verwehten die stürmischen Winde des 16. Jahrhunderts. Der Buchdruck war bereits von Gutenberg erfunden, Wissen wird zur Macht. Infolge-dessen werden Herrschaftsstrukturen infrage gestellt, Martin Luthers Reformen spalten die heile Welt der Gläubigen.
Ruine Rauber – sonst im Schatten der Laubbäume versteckt.
Auch heute bleibt nichts wie es war. Selbst das Blühen und Vergehen im Sommer oder das Schneien und Tauen im Winter entlang dieses schmalen Wanderpfads scheint keinem in Stein gemeißelten Rhythmus zu gehorchen. Der Mensch, sein Energiehunger stellt schon nach einem Jahrhundert das Klima auf den Kopf, an dem nur galaktische Ka-tastrophen zu rütteln vermochten. Fällt Schnee auch dieses Jahr über der Ruine Rauber? Leuchtet das Turmdach der Burg Teck wieder schneeweiß? Gewiss aber ist, dass es auf dem schmalen Serpentinenpfad hinauf von Bissingen zum 400 Meter höheren Breitenstein auf 812 Metern kälter werden wird: Um rund vier Grad Celsius, so will es die Physik, deren Gesetze solange den Winden widersteht, bis ein nächster Einstein die vermeintlichen Konstanten mit einem Hauch verweht?
Fernsicht: Der Breitenstein blickt in die Vergänglichkeit
Unterschiedliche Gesteinshärten sind die Ursache für die sogenannten Zeugenberge, die sich trotzig aus dem Vorland der Schwäbischen Alb erheben. Wasser und Wind präparierten sie heraus, ja trennten sie komplett von der Schichtstufe ab, wie etwa die Drei Kaiserberge am Horizont (Foto oben). Sie beweisen, dass die Alb einst fast bis Stuttgart reichte und heute noch, 1,6 Millimeter jährlich, zurückweicht. Anders entwickelte sich der Kegelberg Limburg (Bild unten). Dessen harte Vulkanschlotfüllung zeugt von explosiver Zeit vor rund 17 Millionen Jahren.
Online: Wanderportal
Das Biosphärengebiet Schwäbische Alb vermarktet unter dem Namen „hochgehberge“ 21 Routen. Der Slogan „hoch gehen um runter zu kommen“ soll einladen, Entspannung und Erholung in abwechslungsreicher Landschaft zu finden. Diese Prädikatswanderwege eröffnen Zugänge zu ganz unterschiedlichen Landschaftsformationen je nach persönlichen Vorlieben und eigener Kondition. mehr >>
Portal: www.hochgehberge.de
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Printausgabe: Sphäre 3/2021, Seite 24-25
WEBcode #21325 und WEBcode 222102