Münsingen-Laichingen: Mit dem Bike durch Schnee über die Winteralb
Schneewege
Sommer- oder Wintersport? Die Grenzen verwischen. Ski-Langläufer überbrücken mit Rollski die heißen Tage. Radfahrer halten sich bei Schnee mit dem Bike recht fit. Vorausgesetzt sie kennen weiße Winterrouten.
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Wintersport anders gedacht: Was man nicht kennt, versteht man nicht gleich. Doch gesunde Neugierde findet immer ihren Weg.
- ■■ Snowbike-Tour: 53 km / 984 Hm.
- Start/Ziel: Parkplatz Trailfinger Säge (Münsingen)
- Höhe: min/max 735/853 m
- Fahrzeit: 4:00 Std. / mittel
- Sehenswert: Gruorn und Türme auf ehemaligem Truppenübungsplatz, Wildpark Laichingen
- Einkehr: Löwen, Zainingen
Papa, schau mal, was macht denn der?“ Verblüfft bremst der Kleine seinen Schlitten ab. Geräuschlos saust an ihm ein Radfahrer über den verschneiten Feldweg vorbei. Der Lichtkegel der Lenkerlampe tanzt im Takt der Pedaltritte über die glitzernde Weite. „Der hat bestimmt Schneeketten drauf“, belehrt der Vater verdutzt. Sein Steißbein schmerzt: Hatte er doch zuvor am Parkplatz Bekanntschaft mit der Physik zum Thema Gleiteigenschaften von Schnee und Eis gemacht.
„Warum fällt der nicht, ist dem nicht kalt, friert die Mechanik nicht ein?“ Diese Fragen allerdings hört der Biker nicht, da ihm nur der Albwind sanft um die Ohren spielt. Er wirkt zufrieden, eins mit seinem Sportgerät und der (fast) autofreien Winterbike-Tour über festgefahrenen Schnee auf Feldwegen zwischen Münsingen und Laichingen.
Das Schlittenkind staunt nicht schlecht. Fast so schnell wie der austrainierte Langläufer neben ihm in der Loipe pflügt der Radler durch den Schnee. Beide Sportler grinsen sich an – die haben ihren Spaß. Der Skiläufer forciert noch etwas das Tempo. Er genießt seine langen, ausladenden Skating-Schritte im Rhythmus seiner Stockhiebe in den fluffigen Pulverschnee.
Die roten Gesichter der beiden beantworten Vaters zweite Frage: Und ja, dem Radler ist ebenso wenig kalt, wie dem Langläufer. Denn seine Beine brennen mit 100 bis 200 Watt Muskelkraft unter der Radhose. Er muss sich nicht wie Skialpin-Abfahrer in dicke Thermokluft einpacken. Vielmehr kleidet er sich wie zu jeder Jahreszeit im klassischen Zwiebelprinzip, im Winter eben mit zusätzlichen Schichten hochwertiger Funktionswäsche. Denn gerade bei Minusgraden muss der Schweiß effektiv von der Haut als Wasserdampf entweichen. Ein oder zwei Unterhemden mehr als sein Sparringspartner in der Loipe wird er sicher brauchen. Denn während der Skater mit Oberkörper und Armen hitzig ackert, liegen die Hände des Bikers nur locker auf Lenker und Bremsen. E-Biker hingegen sollten sich auf dieser Wintertour mollig wie Skialpinisten kleiden. Denn der Elektromotor übernimmt je nach Unterstützungsstufe den größten Teil der schweißtreibenden Arbeit.
Eisige Angelegenheit: Spritzwasser bei Dauerfrost.
Während Papa am Schlittenhang fröstelnd dem Radler hinterher sinniert, ziehen die Reifen weiter ihre kerzengerade Spur durch den Schnee. Scharf schneiden die Kanten der Stollen kleine Krater. Nein, Schneeketten sind hier nicht im Spiel – ganz normale Mountainbike-Reifen taugen für solch eine Winterfahrt. Allerdings sollte man mit dem Luftdruck spielen. Weichere Reifen bieten mehr Kontaktfläche und sinken bei Neuschnee weniger tief in den lockeren Untergrund. Das spart Kräfte, verringert den Rollwiderstand. Am besten jedoch läuft’s bei optimalen minus fünf Grad Celsius, wenn zuvor motorisierte Förster und Jäger das Winterweiß zu einer brettharten, griffigen Schneedecke verdichtet haben: Traumhaft, fast schneller als auf Asphalt gleitet das Bike durch Raum und Zeit hinein in eine helle Zufriedenheit, die es sonst nirgends zu kaufen gibt.
Zwischenziel: Gruorn, ehemaliger Truppenübungsplatz Münsingen.
Man muss sich wundern: Bergauf wie runter hält gerade sehr kalter Schnee den Biker sicher in seiner Spur. Schräglagen allerdings mögen die Reifen nicht, ebenso wie seitlich abschüssige Fahrbahnen. Noch unberechenbarer reduziert Eis die Traktion der Reifen. Hier steigern Reifen mit Spikes, also mit kleinen Metallspitzen im Profil die Sicherheitsreserven. Doch auch Langläufer haben oft vertrackte Spurprobleme auf vereisten Loipen zu meistern – manchmal mit Erfolg, manchmal mit einer Landung im Schnee. Da wiederum schlägt sich der Schneeradler etwas souveräner. Wird’s kritisch, steigt er ab nach dem Motto: „Wer sein Rad liebt, der schiebt.“
Diesen Leitsatz sollten nicht nur Ungeübte stets beherzigen. Denn der Untergrund auf dieser 53 Kilometer langen Runde variiert je nach Schneehöhe und Temperatur. Schwierig wird’s, wenn die feste Schneedecke antaut. Das macht keinen Spaß. Die Reifen brechen unkontrolliert ein, das Bike schlingert, die Reifen verlieren Halt. Doch die Tour verläuft auf Höhen von etwa 800 Metern überm Meer, was stabile Temperaturen unter null garantiert. Während der Radler die Feldwege der Kuppenalb als salzfreies Winter-Eldorado genießt, fährt Papa mit Schlittenkind bereits nach Hause zurück ins vom Matsch und Tauwasser getünchte Alltagsgrau.
Griffige Schneedecke: Ideale Bedingungen herrschen bei minus 5 Grad Celsius, besonders wenn Försterautos eine feste Spur gelegt haben.
Wintertour: Alle Schneewege führen zum Radlerglück
Der Weg ist das Ziel. Und Ziel ist, den Schnee auf zwei Rädern zu genießen. Es eignen sich dazu fast alle Feldwege bei Schneehöhen um fünf Zentimeter. Liegt mehr Schnee, muss man hoffen, dass ein PKW schon vorgespurt hat, sonst wird’s anstrengend (für E-Bikes kein Problem). Die vorgeschlagene Route bietet die höchste Wahrscheinlichkeit für gutes Vorankommen, sollte aber entsprechend der Verhältnisse angepasst werden.
Laichingen: Attraktion Wildpark.
Fahrtechnik im Schnee
Einsteiger sollten sich vorsichtig an das knifflige Fahrverhalten von Bikes auf Schnee herantasten. Wichtig: Die Vorderradbremse sehr behutsam betätigen. Rutscht das Vorderrad ist’s bis zum Sturz nicht weit. Ein blockierendes Hinterrad dagegen kann spielerisch mit geübter Balance in einen kontrollierten Drift entschärft werden. Die beste Bremswirkung aber besitzen stets sich drehende Räder.
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Printausgabe: Sphäre 3/2024, Seite 16-17
WEBcode #24317